Zur Unternehmensseite

19.12.2020

Corona und die dunkle Jahreszeit: "Setzen Sie sich Ziele!"

Was macht Corona mit den Menschen? Wie gehen sie mit den Einschränkungen, ausgelöst durch die Pandemie, im täglichen Miteinander um? Und wie können wir bestmöglich durch diese schwierige Zeit kommen, auch mit Blick auf ein Weihnachtsfest, welches wir in dieser Form noch nie erlebt haben? Der Diplom-Psychologe Mathias Becker ist Therapeutischer Leiter unseres MVZ Psychotherapie in Koblenz - und beantwortet im Interview die wichtigsten Fragen.

Herr Becker, gibt es in diesem Jahr, welches geprägt ist durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie, insgesamt einen Anstieg bei der Nachfrage nach Therapieplätzen?

Diese Frage ist schwer zu beantworten, da schon seit Jahren deutschlandweit ein Mangel an Therapieplätzen besteht. Nach einer Studie der Bundespsychotherapeutenkammer aus dem Jahr 2018 warten PatientInnen in Rheinland-Pfalz im Durchschnitt fast 20 Wochen auf einen Therapieplatz. Von daher werden die psychischen Auswirkungen der Pandemie sich erst in den nächsten Monaten in ihrem vollen Umfang zeigen, allein weil wir in unseren Praxen erst dann Kapazitäten haben diese PatientInnen zu versorgen. In den so genannten psychotherapeutischen Sprechstunden, in denen wir PatientInnen zu einer ersten Diagnostik sehen und auf dieser Grundlage eine Behandlungsempfehlung aussprechen, zeigt sich bisher noch kein auffälliges Muster.

Sind Corona und die Einschränkungen Thema in Ihren Sitzungen? Und wenn ja: Wie reagieren Ihre Patienten auf die aktuelle Situation?

Die Pandemie und die hiermit verbundenen Auswirkungen sind schon allein durch die konsequente Maskenpflicht in unseren Praxen ein permanentes Thema. Das Thema ist wortwörtlich immer im Raum. Einige meiner PatientInnen berichten über verstärkte Zukunftsängste und eine relative Einsamkeit. Bedingt durch die Kontaktbeschränkungen und das Herunterfahren des öffentlichen Lebens fallen etablierte Strategien zur Emotions- und Stressbewältigung oft ersatzlos weg. Ein entspannender Saunabesuch oder ein „Auspowern“ im Fitnessstudio ist nun nicht mehr möglich. Obwohl die Suche nach Alternativen in den Therapiesitzungen nicht immer einfach ist, können wir aber oft zusammen einen anderen Umgang mit den neuen Herausforderungen erarbeiten. Außerdem bemerke ich vor allem bei RisikopatientInnen eine vermehrte Auseinandersetzung mit dem Thema Tod und der Endlichkeit des Lebens im Allgemeinen. Dies sind natürlich essentiell wichtige Themen, auch über therapeutische Prozesse hinaus im Leben jedes Einzelnen. Wir alle werden gezwungen unser bisheriges Leben zu hinterfragen und mitunter Prioritäten neu zu setzen. Einige meiner PatiententInnen haben festgestellt, dass die Zeit mit der Familie wohl doch bedeutsamer ist als die Zeit im Büro oder, dass durch die erzwungene Entschleunigung im Alltag das psychische Wohlbefinden gestiegen ist. Von daher kann man nicht pauschal sagen, ob sich die aktuelle Situation negativ oder positiv auf die Psyche auswirkt. 

Wie gehen die Menschen in diesem Jahr mit dem Thema Weihnachten um?

Erfahrungsgemäß kann ich sagen, dass Weihnachten für viele PatientInnen eine eher schwierige Angelegenheit ist. Nicht selten sind die familiären Beziehungen konfliktbehaftet und Weihnachten kann durchaus zur Belastungserprobung werden. Dementsprechend vermute ich, dass die aktuellen Kontaktbeschränkungen einigen PatientInnen sogar entgegenkommen werden. Andere wiederum plagt vielmehr die Sorge, Risikopersonen anzustecken, was schon jetzt zur Einschränkung oder Vermeidung von Familienbesuchen führt. Wahrscheinlich wird der Konflikt zwischen Schutz der Angehörigen und dem Wunsch nach Kontakt mit den Liebsten in den nächsten Sitzungen des Öfteren thematisiert werden.

Spielt die dunkle Jahreszeit Ihrer Erfahrung nach eine Rolle?

Die dunkle Jahreszeit wirkt sich generell eher nachteilig auf die menschliche Psyche aus, wobei einige Menschen anfälliger für ein Abrutschen der Stimmung sind als andere. Das Phänomen der saisonalen Depression, auch Winterdepression genannt, ist ja einschlägig bekannt. Dieses Jahr ist es für viele Menschen allerdings besonders herausfordernd, da wirksame angenehme Aktivitäten oft nicht mehr ausgeführt werden können.

Haben Sie Ratschläge, wie Menschen, die unter der aktuellen Situation leiden, besser durch diese Zeit kommen können?

Ich denke, dass jeder hier einen individuellen Umgang mit der Situation finden muss. Leider gibt es, wie so oft, kein allgemeingültiges Rezept für ein besseres Wohlbefinden. Es kann helfen bei etwaigen Einschränkungen und dem gefühlten Verlust von Lebensqualität etwas Positives und Angenehmes in das Leben neu zu integrieren. Das (digitale) Pflegen von sozialen Kontakten, die Aufnahme neuer oder alter Hobbys und regelmäßige Bewegung bilden schon einmal eine gute Grundlage für den Aufbau von mehr Resilienz (Psychischer Widerstandskraft)^.

Ich finde es außerdem wichtig, sich aktiv mit der Situation auseinanderzusetzen und zu versuchen die aktuellen Einschränkungen als persönliche Entwicklungschance zu sehen. Die Fragen: „Wie möchte ich in Zukunft leben?“, „Was ist mir im Leben wirklich wichtig?“, „Habe ich meine Prioritäten bisher richtig gesetzt?“ können Anhalt für eine Neuausrichtung der persönlichen Ziele geben. Und schlussendlich ist es wichtig sich immer vor Augen zu halten: Es wird eine Zeit nach der Pandemie geben.

 
 

Diese Website verwendet Cookies.
Diese Webseite nutzt neben notwendigen auch nicht notwendige Cookies externer Komponenten, wie z.B. Karten, Videos oder Analysewerkzeuge, welche alle dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Nutzungsverhalten zu sammeln. Personenbezogene Daten werden von uns nicht erhoben und bedürfen, wie z. B. bei der Nutzung von Kontaktformularen, Ihrer expliziten Zustimmung. Sie können dem Einsatz der nicht notwendigen Cookies mit dem Klick auf die Schaltfläche „alle Cookies akzeptieren“ zustimmen oder sich per Klick auf „alle Cookies ablehnen“ dagegen entscheiden. Weitere Informationen zu den von uns verwendeten Diensten und zum Widerruf finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen. Dort können Sie ebenfalls Ihre hier getroffenen Einstellungen unter dem Link „Cookie-Einstellungen“ jederzeit aufrufen und Cookies auch nachträglich abwählen. Ihre Einwilligung dazu ist freiwillig und für die Nutzung der Webseite nicht notwendig.